Der Cellist Petar Pejčić, der Flötist Matthew James Higham und die Gitarristin Hannelore Vander Elst im Gespräch über ihre Arbeit an Premonitions of a Larger Plan.
Tag 2 der Proben an Premonitions of a Larger Plan. Nachdem etliche Covid-Erkrankungen in der Company den Zeitplan durcheinanderbrachten und sowohl die Proben als auch die Premiere um zwei Wochen verschoben werden mussten, kann jetzt endlich im Studio die gemeinsame Arbeit der drei beteiligten Solomusiker*innen und der Tänzer*innen mit einer ersten Experimentierphase beginnen. Mit von der Partie sind der Cellist Petar Pejčić, der die Company bereits aus dem Bach-Off-Projekt kennt, der Flötist Matthew James Higham, der bei When the dust settles im Orchester saß, und die Gitarristin Hannelore Vander Elst. In der Pause berichten sie von ihren ersten Eindrücken aus der direkten Zusammenarbeit mit der Company.
In der neuen Produktion seid ihr alle drei mit verschiedenen Solostücken für eure Instrumente vertreten. Wie und nach welchen Kriterien wurden eigentlich eure Stücke ausgewählt?
Petar Pejčić: Das war ein gemeinsamer Arbeitsprozess. Wir haben Jacopo Vorschläge gemacht und dann gemeinsam überlegt, was am passendsten wäre. Es ging natürlich auch darum, eine große Vielfalt auch an Farben darzustellen. Die Flötenstücke sind sehr modern, sehr abstrakt. Von den Gitarrenstücken sind manche ruhiger, manche expressiver, aber eigentlich alle perkussiv. Die Cellostücke wiederum finde ich sehr feurig und explosiv.
Was alle Stücke aber gemeinsam haben, ist, dass sie den Interpreten sehr fordern und ziemlich anspruchsvoll sind. Man muss sich fokussieren und zugleich offen sein für die Begegnung mit den Tänzern. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
Matthew James Higham: Na ja, ich komme rein, ich habe die Stücke vorbereitet, ich weiß, wie ich sie spiele – und Jacopo hat die Choreografie entwickelt. Jetzt in den ersten beiden Tagen haben wir viel ausprobiert in verschiedenen Konstellationen, und dann gab es diesen Moment mit Roberta und Gaizka, und wir spürten, dass das einfach passt! Heute haben wir uns dann zusammengesetzt und den Prozess vertieft. Die zwei haben mir gezeigt, wie ihre Choreografie funktioniert, und das war etwas ganz Neues für mich!
Ich habe euch bei den Proben gesehen, das war ja ein ganz unmittelbarer Austausch.
Matthew: Absolut. Ich habe ihnen die Stücke ein bisschen erklärt, gesagt, was wann wie geschieht und sie haben mir die Choreografie erklärt. Und davon ausgehend haben wir geschaut, was passiert, wenn wir aufeinanderprallen, wie wir miteinander arbeiten können.
Hannelore Vander Elst: Für mich ist es ja die erste Zusammenarbeit mit der Company. Da sind so viele Dinge, die gleichzeitig passieren, so viele Eindrücke, die ich aufgesaugt habe. Wie Matthew sagte: Man kommt vorbereitet, die Musik ist im Kopf. Aber dann geht es doch darum, flexibel und spontan zu sein und darauf zu reagieren, was man sieht. Das Material ist da, aber es muss noch in Form gebracht werden, sowohl tänzerisch als auch musikalisch.
Mit der Gitarre ist man ja in der Regel auch weniger ein Ensembleplayer als z. B. mit der Flöte oder dem Cello?
Hannelore: Stimmt, das ist alles neu für mich. Ich spiele sonst mit anderen Gitarristen oder vielleicht noch einem anderen Instrument zusammen – auf jeden Fall aber nicht mit Tänzer*innen.
Mit der Gitarre und mit dem Cello ist man mehr oder weniger auf eine Spielposition festgelegt – mit der Flöte ergibt sich mehr Spielraum, mehr Bewegungsfreiheit. Das wird auch in die Choreografie integriert, oder?
Matthew: Ja, wir probieren etwas aus, und wenn es passt, bleiben wir dabei. Es geht viel um Erkundung, ums Ausprobieren, die Lust am Entdecken. Der kreative Freiraum ist riesengroß, ich glaube, das macht das Projekt auch so besonders.
Hannelore: Das Interessante ist, einmal beiseite zu schieben, was einem beigebracht wurde. Oder auch die Umgebung auszublenden, in der man sich sonst befindet, zum Beispiel ein Konservatorium.
Petar: Um das vielleicht noch zu ergänzen: Wenn man sich für eine solche Erfahrung öffnet – das habe ich ja schon mit der Company erlebt – verändert sich auch die Art, Musik wahrzunehmen. Für mich war das sehr stark beim letzten Mal. Wir hatten viele Aufführungen, sieben oder acht, bei denen ich dabei war, das ist für einen Musiker wirklich viel. Allein das war schon eine neue Erfahrung. Wir Musiker sind manchmal extrem strikt. Da einfach mal loszulassen, sich auf etwas ganz Neues einzulassen, ist sehr erfrischend.
Gibt es denn vielleicht sogar nach einem Projekt Bewegungen oder Gesten aus dem Tanz, die bleiben, die sich für dich untrennbar mit der Musik verbunden haben?
Petar: Auf jeden Fall! Idealerweise will man ja selbst mit seiner Musik etwas erzählen, etwas zeigen. Wenn man in der Lage ist, eine Idee zu visualisieren und zu materialisieren durch die Tänzer*innen, die ja wirklich Weltklasse sind, ist das ein riesiger Schritt in die richtige Richtung. Zumindest für mich ganz persönlich.
Matthew: Ich war überrascht, wie viel wir gemeinsam haben. Es gibt Diskussionen mal mit uns oder mal auch unter den Tänzer*innen über Musikalisches, etwa über dynamische Details, die ich so niemals erwartet hätte in der Zusammenarbeit mit einer Tanzcompany. Das sind ja Themen, über die wir Musiker unser ganzes Leben nachdenken. Und dann kommen wir hierhin und werden empfangen von Abenteurern, die sich mit dem gleichen Mist befassen! Das ist wirklich schön und besonders. Und überhaupt zu sehen: Wie drücken sich Tänzer*innen selbst aus, wie drücken wir uns aus – und wie bringen wir das zusammen? Es geht ja nicht darum, dass wir spielen und sie dazu tanzen. Oder dass sie tanzen und wir liefern die Musik dazu. Wir wollen wirklich versuchen, gemeinsam etwas auszudrücken und eine gemeinsame Basis zu finden.
Zwischenzeitlich ist Jacopo Godani dazugestoßen. Er hat zugehört und schaltet sich ein:
Jacopo Godani: Wir beleben uns gegenseitig. Im Grunde stellen wir ja eine dreidimensionale Manifestation von Musik dar. Und zwar nicht als fester, gegenständlicher Block, sondern als etwas Flexibles, das sich in der Zeit bewegt, so wie der Verlauf einer Partitur. Wir ergänzen uns gut. Manchmal habe ich den Eindruck, man braucht nicht die Noten zu lesen, sondern kann die Tänzer*innen lesen! Das ist ja fast so, als seien wir die kleinen Noten eines Stücks, mit unseren kleinen Köpfen …
Mathew: Genau das haben wir probiert (lacht)! Das war auch gestern faszinierend zu sehen. Ich erinnere mich nicht mehr an die genaue Konstellation, aber Jacopo sagte mir: Schau mal, wie sich die Tänzer*innen im Raum bewegen und versuche, dazu zu improvisieren. So etwas habe ich noch nie gemacht, das war total interessant. Nach fünf, zehn Minuten kommt man in den Flow, man fühlt, was sie machen und beginnt selbst darauf zu reagieren.
Jacopo: So arbeiten wir ja auch selbst! Wir lernen deine Musik nicht auswendig, wir reagieren darauf. Ok, wir lernen sie, weil wir sie sehr oft hören. Aber es geht niemals strikt nach dem Motto ‚vier, fünf, sechs, sieben, acht, los!, dipataaa, sieben, acht, bing!‘ Unsere Reaktion ist eine ganz unmittelbare, direkte. Wir könnten gar nicht erklären, was wir tun. Das ist eine ganz andere Art, ein Stück zu lesen, das Tempo, das Timing zu erfassen. Wir sind sehr offen, hören einander genau zu. Und der Vorgang kann eben auch in umgekehrter Richtung stattfinden. Auch die Musiker*innen können sich Freiheiten nehmen und reagieren.
Hannelore: Mir war übrigens zuvor gar nicht klar, wie sehr die Tänzer*innen ihre Arbeit als Musik denken. Beim Spielen höre ich sie singen oder atmen. Bevor ich hierhin kam, hatte ich nur Bewegungen gesehen. Da steckt aber alles im Tanz. Sie machen „phhh“ und andere Geräusche, ich weiß gar nicht immer, warum.
Jacopo: Ja, das ist die Seele des Tanzes.
So nah wie jetzt kommst du ja normalerweise auch Tänzern nie.
Hannelore: Nein, kannte diese Prozesse gar nicht. Sie singen manchmal dazu irgendwelche Silben, das fand ich zuerst etwas komisch, und ich habe überlegt, was könnte aus meiner ‚musikalischen Bibliothek‘ dazu passen. Aber jetzt verstehe ich durch das Singen auch die Bewegungen.
Jacopo: Vielleicht eines noch: Die Probensituation ist vielleicht für euch drei manchmal etwas nervig. Der eine in der einen Ecke, der andere zugleich in einer anderen, der dritte wieder woanders. Aber vielleicht kann man das irgendwann auch ausblenden und die Tatsache genießen, dass wir etwas zusammen machen und dass man einmal anders an etwas herangeht. Ihr drei könnt eure abgeschiedenen, ungestörten Momente allein im Probenraum noch euer ganzes Leben haben! Das hier ist ein Prozess für uns alle!
Das Interview führte Ruth Seiberts.